Die Grüne Ampel in der Luft

Wintersport: Orientierung beim Sprung erfordert bewusste Wahrnehmung

Albstadt-Ebingen, 16.02.2013 von Helen Weible
Eine Trainingseinheit bei den jungen Buckelpistenfahrern vom Freestyle-Club Zollernalb hat gezeigt: Essenziell für eine sichere Abfahrt ist eine Grundstabilität und das Bewusstmachen der Bewegung.

„Gibt es Schnee am Wochenende?“, will Adrian Schlegel wissen. Der 14-Jährige erkundigt sich nach der Wetterlage beim bevorstehenden Wettkampf am Oberjoch. „Vier Stunden Sonne sind angekündigt“, sagt sein Trainer Armin Weiß. Ein bisschen wenig, denkt sich Adrian. Bei den vielen Stunden und Tagen, die er und seine Teamkollegen fleißig auf der weißen Unterlage zum Trainieren verbracht haben, wünscht er sich auch einmal Kaiserwetter. Dennoch ist seine Frage berechtigt. Denn gute Sicht ist enorm wichtig für die Orientierung in der Luft.

Bei der Trainingseinheit des Freestyle-Clubs Zollernalb am Skilift in Meßstetten Mittwochnachmittag strahlt sogar die Sonne. Es sind zwei Mädchen und drei Jungs aus Albstadt dabei: Pauline (10) und Emma Weiß (13), Adrian Schlegel (14), Dominik Mehnert (19) und Markus Isenmann (20). Die beiden Europacup erfahrenen Geschwister Frederik Bopp (20) und Ann-Kathrin Bopp (17) aus Friedrichshafen fehlen. Sie trainieren punktuell am Stützpunkt. Frederik ist bereits auf Europa-Cup-Tour. Der Achte im Bunde, Felix Neidhart (16), nützt die Ferien für einen Ski-Urlaub mit der Familie.

Die Schützlinge vom Freestyle-Club Zollernalb befinden sich mitten in einer Hochphase. Am zweiten Januar-Wochenende ging's los mit den Wettkämpfen – bis Ende März sind sie jedes Wochenende ausgebucht. Seit Freitag geht es zwei Mal am Tag auf die Piste und an die Schanze – üben, üben, üben, um sich den Ablauf immer wieder bewusst zu machen, heißt es hier. Sprung für Sprung, Abfahrt für Abfahrt. Der Trainer fordert höchste Konzentration. Gemeinsam haben die Buckelpistenfahrer mit dem Coach die Schanze und die Landebahn präpariert. Mit Schaufeln und Schneebohrer wird komprimierter Schnee gelockert. „Wir brauchen einen Schnee, der dämpft, ein gutes Polster für die Landung“, erklärt SSV-Trainer Weiß. Nichts wird dem Zufall überlassen, bei einem Sport, bei dem Stürze eben vorkommen.

Da an diesem Wochenende wieder ein Wettkampf im Allgäu ansteht, hat Weiß die Schanze ganz nach dem Wettkampfvorbild modelliert. Er besitzt ein Augenmaß für den Absprungwinkel, misst aber vorsichtshalber noch einmal nach: 35 Grad und „prima Rundung“ – passt! Unterhalb des Landehangs steckt er vier farbige Stangen in den Schnee. Jeweils in einem Abstand von rund 3,5 Metern, „die Distanz zwischen den Buckeln“, erklärt der Experte. Beim Wettkampf beginnt unmittelbar nach einer kurzen Landebahn eben auch wieder bucklige Piste – Weiß' Schüler müssen diesen Übergang beherrschen, die Kontrolle behalten, die Stangen sauber nehmen. Ihre Aufgabe für diesen Trainingsnachmittag. Nach kurzem Aufwärmen kann es losgehen.

Ideale Bedingungen finden die Freestyler von der Zollernalb dieses Jahr während den Faschingsferien vor. „Die Nähe zum Schnee“, wie sie sich Weiß wünscht, ist nach eher dürftigem Win-terwetter im Dezember und Januar endlich gegeben. Das ist nicht selbstverständlich. Denn die Konkurrenz aus Bayern, aus Österreich und der Schweiz hat meist mehr Stunden auf der kalten Unterlage – und verschafft sich damit merkbare Vorteile im Wettkampf. Die Gruppe von Armin Weiß trainiert je nach Einheit an den Hängen in Ebingen, Tailfingen und Meßstetten. Am Tailfinger Schloßberg wird meist vormittags an der Skitechnik gefeilt: Kurze Schwünge, auch ohne Stockeinsatz, Steuern und Auslösen eines Schwungs – all das ist bei der Skitechnik gefragt. Gesprungen wird dann in der zweiten Einheit nachmittags, an einem Steilhang beim Meßstetter Lift, wo es den normalen Liftbetrieb nicht stört.

Jeder Schüler arbeitet an seiner Akrobatik, jeder auf seinem Niveau. Ob Strecksprung mit Grätsche, Rückwärtssalto, Schraubensalto oder Helikopter. Spektakuläre Luftsprünge haben alle im Repertoire – Angst hat schon lange keiner mehr. „Da gewöhnt man sich schnell dran“, sagt Adrian keck. Vor jedem Durchgang ist eine Trockenübung Pflicht: Haltung, Stabilität in der Lendenwirbelsäule, kontrollierte Bewegung der Arme. Darauf hat der Trainer ein Auge. Pauline, die mit zehn Jahren Jüngste der Gruppe, fordert von ihrem Vater ungeduldig: „Guckst du jetzt?“ Das ist ihr enorm wichtig. Erst nach der sauber ausgeführten Trockenübung und dem Okay des Papas werden die Skier talwärts gestellt. Auch eine kurze Nachbesprechung folgt auf jeden Sprung. Armin Weiß gibt zu, dass die Ästhetik eine wichtige Rolle spielt:

„Sicherlich lege ich durch meine Arbeit als Ballettlehrer viel Wert auf eine korrekte Haltung. Doch ich beobachte bei Wettkämpfen, dass gerade die guten Leute auf diesen Faktor achten. Da geht es schon lange nicht mehr ums irgendwie landen und heil runterkommen“, erklärt er. An dieser stabilen Grundhaltung wird das ganze Jahr über gearbeitet. In der Turn- und Festhalle in Laufen gibt es zwei Mal in der Woche Trampolin- und Akrobatiktraining. Achim Mehnert unterstützt Weiß dabei. Einen Trainer, der speziell für die Akrobatik da ist, wie in anderen Nationen üblich, kann sich der Freestyle-Verein auf der Zollernalb nicht leisten. Das scheint aber kein Manko zu sein. Was die Schüler auf dem Hang in Meßstetten abliefern, überzeugt auf ganzer Linie.

Pauline springt ihre dritte Grätsche. Sie soll sie mehr „ziehen“, gibt ihr der Vater mit auf den Weg. Sie bringt die Spitzen tatsächlich weiter nach außen. „Die hat auch gezogen“, gibt sie zu. Das Tochter-Vater-Gespann ist mit dem Sprung zufrieden – zwei ganz strenge Kampfrichter. Auch die Schwester und die drei Jungs konnten ihre Sprünge bei jedem Durchgang verbessern. Wer in der Luft „steht“, – häufig auch kopfüber – muss besonders seine Wahrnehmung schulen. Armin Weiß beschreibt den Vorgang so: „Der Ablauf beim Sprung folgt einem Kommunikationsbogen. Zu jeder Zeit muss geprüft werden, ob der Sprung wie geplant verläuft. Ist es so, dann steht die Ampel auf Grün, weicht etwas davon ab, steht sie auf Orange, dann heißt es korrigieren.“ Möglichst wenig will man beim zweiten Rennen des Deutschen Schüler-Cups korrigieren müssen. Die Schützlinge des Freestyle-Clubs Zollernalb sind guter Dinge. Ob die Allgäuer Sonne für sie ein wenig länger strahlt?

Jüngerer Jahrgang „hechtet“ auf das selbst ausgerichtete Rennen am Feldberg hin

Der Freestyle-Club Zollern-alb ist mit rund 70 Mitgliedern aus dem süddeutschen Raum in allen drei Disziplinen Skiballett, Buckelpiste und Springen aktiv. Das regelmäßige Trampolin- und Skitraining bilden die Grundlage für schnelle Fortschritte. Aushängeschild sind die Geschwister Frederik und Ann-Kathrin Bopp aus Friedrichshafen, die bereits in jungen Jahren auf eine Reihe internationaler Erfolge blicken können.

Der SSV-Lehrer vom Albstädter Stützpunkt, Armin Weiß, treibt die Weiterentwicklung seiner Schüler voran, aber stets in kleinen Schritten. „Diese Saison gilt es, konsequent im Finallauf vertreten zu sein“, so Weiß. Tochter Emma hat den dritten Platz im ersten DSC-Rennen in Sudelfeld belegt. Bei entsprechender Leistung im heutigen zweiten wahrt sie sich eine Startchance in einer weiteren nationalen Rennserie eine Woche darauf.

Dann sind auch die Buckelpistenfahrer ab Jahrgang 1998 und älter im Oberjoch gefordert. Am 2. und 3. März steigt dort die deutsche Meisterschaft, am 9. und 10. März das finale Rennen für die älteren Jahrgänge. Eine Buckelpiste ist 235 Meter lang. Es müssen zwei unterschiedliche akrobatische Sprünge in jedem Lauf gezeigt werden. Bewertet werden die Skitechnik mit 50 Prozent, die Sprünge und die Zeit mit jeweils 25 Prozent.

Am 17. März richtet der Freestyle-Club Zollernalb das DSC-Finale auf dem Feldberg aus. Für Armin Weiß ein klarer Heimvorteil: „Die Piste ist leichter, und es gibt sehr gute Schanzen mit einer ruhigen Einfahrt, so dass alle bei diesem letzten Wettkampf ihre schweren Sprünge einbauen können.“ Gerade die Jüngeren würden darauf „hinhechten“, meint Weiß. Schon im Vorjahr war dieses Rennen mit 55 Teilnehmern ein guter Erfolg.

INTERVIEW

„Ballett bringt mir Festigung“

Schon seit sie drei Jahre alt ist, steht Emma Weiß auf den Skiern. Sie kennt nichts anderes. Ihren Vater, mehrfacher Deutscher Meister im Skiballett, hat die heute 13-jährige Buckelpistenfahrerin stets auf die Piste begleitet. Im Interview mit unserem Redaktionsmitglied Helen Weible sprach Emma Weiß über ihre Erfahrungen in dieser anspruchsvollen Disziplin, über die Besonderheiten und ihre persönlichen Ziele.

Seit wann fährst du bereits Buckelpiste?

EMMA WEISS: Oh, das ist schwer zu sagen. Ich war eigentlich immer bei meinem Vater dabei. Angefangen habe ich etwa mit sieben Jahren. Da habe ich schon kleine Wettkämpfe gefahren.

Für diese Disziplin wird sehr viel Körperspannung und -gefühl verlangt – das erfordert ein hohes Trainingspensum. Was reizt dich am meisten dabei?

WEISS: Mir macht es so viel Spaß, da ich die kontinuierlichen Fortschritte sehe, die ich im Training mache. Klar, es gibt Phasen, da wird einem der ständige Einsatz an den Wochenenden etwas zu viel. Aber ich mag das Training, vor allem wenn wir an die Wasserschanze in der Schweiz gehen. Das Springen dort ist einfach ein unglaublich gutes Gefühl. Aber auch das Buckelpistenfahren an sich mag ich sehr – und die Sprünge!

Du sprichst es an: Jedes Wochenende geht es in der Wintersaison zu Wettkämpfen. Fehlt dir nicht deine Freizeit?

WEISS: Das Freundesehen kommt hier in Albstadt schon etwas zu kurz. Dafür habe ich aber viele Leute bei den Wettkämpfen kennen gelernt. Man trifft nicht nur Athleten aus ganz Deutschland, sondern auch aus Frankreich. Das ist gut zum Sprachenlernen.

Wie oft wird zurzeit trainiert?

WEISS: In den Faschingsferien trainieren wir jeden Tag draußen, zwei Mal die Woche bin ich mit dem Team im Akrobatik-Training. Zudem habe ich Ballett-Stunden. Das bringt mir wiederum auch etwas für die Festigung beim Springen und dem Buckelpistenfahren.

Was sind deine kurz- und langfristigen Zielsetzungen?

WEISS: Ich möchte beim DSC (Deutscher Schüler-Cup d. Red.) den Buckel sicher durchkriegen und möglichst aufs Podest fahren. Langfristig will ich an meinen Sprüngen arbeiten und auch international mitwirken.

 

Link zum ZAK-Artikel:
http://www.zak.de/artikel/145042/Albstadt-Ebingen-Die-Gruene-Ampel-in-der-Luft