Der Traum von Olympia

 

von Ulrich Mußler 06.04.2016

Emma Weiß belegte bei der Jugend-WM den zwölften Platz.

Gerade erst hat Emma Weiß ihre Saison mit zwei Bronzemedaillen bei den Deutschen Meisterschaften im Buckelpistenfahren beendet. Doch die Passion der 16-jährigen Ebingerin ist eigentlich eine andere Freestyle-Disziplin – das Skikunstspringen.

Und damit ist sie national nahezu allein auf weiter Flur. Seit 15 Jahren ist Emma Weiß die erste deutsche Freestylerin, die bei internatonalen Wettbewerben an den Start geht. "Manchmal mache ich mir da schon Gedanken drüber. Ich sehe das schon als Verantwortung", sagt die Gymnasiastin.

Im Winter 2014/15 hob sie zum ersten Mal bei einem Europacup im Kunstspringen ab, in den vergangenen Monaten war sie sechsmal auf der europäischen Bühne dabei und qualifizierte sich prompt für die Jugend-Weltmeisterschaften in Weißrussland. Bei ihrer WM-Premiere im Kunstspringen belegte sie als eine der Jüngsten im Feld den zwölften Platz. "Die WM-Quali war mein großes Ziel in diesem Winter. Es war schon super, dass ich dabei war. Die Opening Ceremony, eine riesige Arena, in der die Bilder den Zuschauern auf Leinwänden gezeigt wurden – das war alles ziemlich cool", schwärmt Emma Weiß. Derzeit setzt sie noch auf Einfach-Sprünge, im nächsten Winter sollen es dann doppelte Salti werden. "Auf dem Trampolin springe ich die schon seit zwei Jahren, jetzt will ich sie auch in den Schnee bekommen. Das Fernziel ist dann dreifach."

Was sie an ihrer Sportart fasziniert? "Das Gefühl in der Luft. Das Fliegen ist einfach klasse. Ich bin schon ein kleiner Adrenalin-Junkie." Und Emma Weiß reizt die Vielseitigkeit – "Das Training ist ziemlich breit angelegt, außerdem gefällt mir die Reiserei. Ich finde es prima, dass nicht alles an einem Ort stattfindet. Und wenn keine Wettbewerbe im Kunstspringen sind, fahre ich Buckelpiste. Das ist gut für die skitechnische Ausbildung."

Freestyle, oder Ski-Akrobatik, das ist Emma Weiß quasi in die Wiege gelegt worden. Ihr Vater Armin Weiß war Anfang der 90er Jahre Mitglied der A-Nationalmannschaft im Freestyle-Ballett, wurde 1990 und 1991 Deutscher Meister, 1992 Vize-Europameister und nahm am Demonstrationswettbewerb bei den Olympischen Spielen in Albertville/Frankreich teil, gewann zudem zwei Weltcup-Wettbewerbe. Doch während die Ballett-Disziplin in der Versenkung verschwand, sind Buckelpiste (Moguls) und Springen (Arials) Teil des olympische Programms geworden. "Früher haben alle drei Disziplinen an einem Ort stattgefunden, aber das wurde mit der Zeit immer schwieriger", sagt Armin Weiß, der selbst noch die drei Facetten des Freestyle-Skisports von der Pike auf lernte, sich dann aber aufs Ballett konzentrierte. Inzwischen kümmert er sich um den Nachwuchs, ist Trainer beim Freestyle-Club Zollernalb und Coach des Schwäbischen Skiverbands (SSV) am Stützpunkt Albstadt. Natürlich ist er auch für die sportliche Ausbildung seiner Tochter verantwortlich. Probleme gibt’s keine. "Wir gehen mit der Situation Vater-Trainer und Tochter-Athletin sehr gut um", sagt der Coach, der sich in Albstadt die Möglichkeiten geschaffen hat, seinen Sportlern möglichst umfangreiche Trainingsbedingungen zu bieten. Auf dem Trampolin wird in der Festhalle in Laufen trainiert, draußen wird auf der Tumblingbahn, der Slackline oder auch auf dem Trampolin gearbeitet. Im Saal seiner Ballettschule hat Weiß auch die Komponente Turnen im Programm. In Schweizer Gefilde geht’s dann auf die Wasserschanze, in der Ski-Arena Täle des SV Meßstetten kann je nach Schneelage dann für Buckelpiste oder das Kunstspringen trainiert werden.

Vielseitigkeit ist schließlich Trumpf, denn bis ein Athlet einen Sprung bis zur Wettkampfreife bringt, dauert es geraume Zeit. Die ersten Versuche finden auf dem Trampolin statt, danach geht’s mit Skiern auf eine Wasserschanze, und erst dann, wenn die Übung richtig sitzt wird sie auf Schnee trainiert – manchmal Monate nach dem jüngsten Erlebnis auf der Wasserschanze. Deshalb, sagt Armin Weiß "brauche ich verlässliche Athleten, die so weit sind, dass sie Bewegungsanweisungen umsetzen können. Die Disziplinen Buckelpiste und Kunstspringen bringen nun mal ein erhöhtes Grundrisiko mit. Natürlich gehört auch Mut dazu – und die Bereitschaft ein gewisses Risiko einzugehen. Aber der Respekt vor der Sache steht über allem." Des Grundrisikos ist sich Emma Weiß vollauf bewusst – ernsthaft verletzt hat sie sich bei ihren waghalsingen Sprüngen bislang nicht.

Schon jetzt hat sie die Vorbereitung auf den nächsten Winter eingeleitet, wird vermehrt mit dem Schweizer Nationalteam trainieren, mit dem sie schon zur Jugend- WM nach Weißrussland tourte, weil sie eben die einzige Deutsche im internationalen Kunstspring-Zirkus ist. Emma Weiß will noch höher und noch weiter hinaus – schließlich hat sie ein ganz großes Ziel – einmal an den Olympischen Spielen teilzunehmen.

 

Bericht im Schwarzwälder Boten: http://www.schwarzwaelder-bote.de/inhalt.wintersport-der-traum-von-olympia.1da6d8d0-39e8-4046-8766-227dbe70ea50.html