Die Bestätigung für harte Arbeit: Emma Weiß ist in der Weltspitze angekommen

26.3.2021 Von Larissa Bühler, ZAK


© Kulagin

Emma Weiß blickt auf einen erfolgreichen Winter zurück. Nach einer Verletzung kämpfte sich die Albstädter Skikunstspringerin zurück – und bewies, dass sie das Zeug zur Weltspitze hat. Ein Weg, für den die 21-Jährige allerdings auch viele Opfer bringen musste.

Gleich zum Start in die Weltcup-Saison lieferte Emma Weiß den ersten Podestplatz ihrer Karriere. Und auch in den weiteren Springen stellte Weiß ihre gute Form unter Beweis, wurde am Ende mit dem fünften Platz der Gesamtwertung belohnt. Bei der WM überzeugte Weiß mit Platz elf. Das war alles andere als selbstverständlich, schließlich hatte die junge Freestylerin den vorangegangenen Winter verletzungsbedingt verpasst. Ein komplizierter Oberarmbruch hatte Weiß 2019 gestoppt. Doch sie kämpfte um ihre Karriere – und konnte sich nun dafür belohnen.

Frau Weiß, wie fällt mit etwas Abstand Ihr Fazit zum vergangenen Wettkampf-Winter aus?

Emma Weiß: Nach wie vor bin ich natürlich sehr zufrieden. Im Laufe des Winters sind die Erwartungen sicherlich gestiegen, aber ich habe diese am Ende noch einmal übertreffen können mit dem fünften Platz im Gesamtweltcup. Das war schon sehr gut und sehr viel wert. Das hätte ich so im Übergang vom Sommer zum Winter wirklich nicht gedacht, dass ich diese Saison so viel erreichen kann.

In Ruka starteten Sie mit einem starken zweiten Platz in die Weltcup-Saison. Wie wichtig war diese erste Podestplatzierung?

Das war sehr wichtig. Ohne diesen zweiten Platz wäre es in der Gesamtwertung auch nicht der Fünfte geworden. Für die Top Ten hätte es wahrscheinlich trotzdem noch gereicht, aber nicht für die Top Fünf. Ein Podestplatz gibt schon richtig Punkte.

Nach Ihrer Verletzungspause war der gute Auftakt sicher auch psychologisch viel wert . . .

Ja, auf jeden Fall! Ich war davor einen ganzen Winter raus. Im Sommer konnte ich zwar wieder normal trainieren. Aber es war mein erster richtiger Wettkampf wieder. Zu sehen, dass sich die ganze harte Arbeit auszahlt, war einfach toll. Es war nicht nur Friede, Freude, Eierkuchen, von dieser Verletzung zurückzukommen. Das ist schon sehr schwierig. Ich habe in dieser Zeit auch an mir selbst gezweifelt. Aber in diesem Moment in Ruka wusste ich einfach, es hat sich zu 100 Prozent gelohnt. Und ich würde den Weg auch jedes Mal wieder so wählen. Das Ergebnis war die Bestätigung, dass es die richtige Entscheidung war, alles zu geben und alles für den Sport zu opfern. Man stellt viele Sachen hinten an – aber wenn man das nicht macht, kommt man eben auch nicht in die Weltspitze.

Nach dem starken Start stieg natürlich auch der Druck. Wie viel kam dabei von außen – und was von Ihnen selbst?

Von außen war halt vor allem die Medienpräsenz deutlich höher, vor allem auch deutschlandweit und auch im Fernsehen. Und in mir selbst ist schon auch ein bisschen der Druck gestiegen. Das war dann so eine Mischung. Ich wollte einfach meine Leistung bestätigen und auch eine gewisse Konstanz zeigen. Ich habe mir aber einfach gesagt: Ich will meine besten Sprünge zeigen – und dann sieht man, was dabei herauskommt. Das konnte ich auch den ganzen Winter so durchziehen bis auf einen Ausrutscher in Deer Valley. Das ist schon eine ziemlich gute Quote.

Sie arbeiteten bisher nicht mit einem Mentaltrainer zusammen. Ist das noch der Stand der Dinge?

Ja. Ich habe darüber nachgedacht. Und ich habe auch darüber nachgedacht, ob der Winter anders verlaufen wäre, wenn ich mit jemandem zusammengearbeitet hätte. Aber ich bin zu dem Schluss gekommen, dass ich für mich eigentlich einen sehr guten Weg gefunden habe, mit allem umzugehen. Ich schaffe es sehr gut, mich vor und während dem Wettkampf in einen Tunnel zu begeben, wo vielleicht andere etwas mehr Mühe haben. Und ich bin auch sehr wettkampfstark, das kann ich nach diesem Winter ja wirklich auch so sagen (lacht). Es ist oft so, dass ich im Wettkampf noch mal besser springe als im Training. Ich visualisiere für mich sehr viel – und auch das hilft mir sehr. Zudem übernimmt, glaube ich, mein Papa in gewisser Weise die Rolle eines Mentaltrainers. Wenn ich unterwegs bin, telefoniere ich täglich mit ihm und seit ich jetzt wieder zu Hause bin, hatten wir auch täglich Gespräche, wie die Wettkämpfe und alles liefen. War es schwierig, nach der Verletzung wieder reinzufinden? Ich hatte, gerade als ich aus dem Krankenhaus kam und dann drei Monate noch große Schmerzen hatte, viele mentale Tiefpunkte. Aber ich bin da ganz gut wieder rausgekommen. Sportlich hatte ich auch den Vorteil, dass ich den ganzen Sommer dazwischen hatte. Ich wusste, was auf mich zukommt und ich wusste, wofür ich arbeite. Wir haben oft die Situation durchgespielt, wie es sein könnte. Es gibt dann quasi ein neues „erstes Mal“. Mein Dad und ich haben dann von den wirklich banalen Dingen bis zu den richtig schwierigen Sachen auf dem Trampolin genau darauf geachtet, wie ich reagiere. Damit man nicht in die Zurückhaltung reinfliegt, sondern in den Angriff und die Lust, das jetzt zu machen. So hatte ich genügend Zeit, mich auf die Rückkehr vorzubereiten.

Zurück zur vergangenen Saison. Der Podestplatz in Ruka ragt natürlich heraus. Was waren für Sie weitere Highlights?

Nach Ruka wurde ich in Minsk ja dann Siebte, mit 0,3 Punkten Abstand. Und mit dem siebten Platz ist auch einhergegangen, dass sich sehr akribisch an meiner Landung gearbeitet habe. Und das konnte ich im Wettkampf dann auch zu 100 Prozent umsetzen. Das war für mich so ein Schlüsselpunkt, an dem ich gemerkt habe, dass noch mehr geht. Aber schon vor dem ersten Weltcup in Ruka gab es dort einen Schlüsselpunkt. Dort bin ich die ersten Full-Fulls gesprungen und es ging alles viel besser, als ich eigentlich erwartet habe. Es war für mich in diesem Winter sehr wichtig, dass ich eine gute Lande-Quote hinbekomme. Da hatte ich die Winter davor immer ein bisschen ein Auf und Ab. Da wollte ich mich konstant verbessern. Und das ist meilenweit besser geworden. Und insgesamt muss ich sagen: Ich bin schon eine andere Athletin geworden. Ich wollte von der Verletzung anders zurückkommen. Und ich glaube schon, dass die Verletzung für mich auch eine Art Lehre war.

Auch Corona hat Ihre Saison geprägt. Inwieweit haben sich die Abläufe dadurch verändert?

Wir hatten bezüglich der Infektionen wirklich Glück – bis auf Kasachstan. Dort waren es anfangs nur zwei Amerikaner und ein Schweizer aus dem Buckelpisten-Team. Aber vier Tage später war das ganze amerikanische Team raus. Das hat sich da schon noch einmal zugespitzt. Insgesamt war alles sehr viel akribischer als sonst, wir wurden alle zwei bis drei Tage getestet. Der Test an sich hat mir nichts ausgemacht. Aber dadurch, dass ich alle Kosten selber trage und über Sponsoren finanziere, wurde meine Saison aufgrund der Tests 1000 bis 2000 Euro teurer. Und wir mussten einiges organisatorisch machen, was wir bisher nicht machen mussten. Aber es ging. Wir waren uns am Anfang der Saison ja wirklich nicht sicher, ob es überhaupt Wettkämpfe gibt. Daher ist es eigentlich viel besser gelaufen, als wir alle erwartet hätten. Sie trainieren mit dem Schweizer Team, müssen als Deutsche aber auf die Teilnahme an Teamwettbewerben verzichten.

Warum kann Deutschland kein Team ins Rennen schicken?

Das einzige woran es scheitert, ist das Geld. Wenn das da wäre, könnte man da Strukturen aufbauen. Es ist nicht so, dass Deutschland nicht die geeigneten Athleten hätte. Sportler, die zum Beispiel im Turnen zur Spitze gehören, müssten eben noch die entsprechende Sicherheit beim Skifahren erreichen. Klappt das, wären das nach ein paar Jahren Top-Athleten. Aber wenn nicht mal für die Sportler Geld investiert wird, die schon an der Weltspitze sind, wird es sehr schwierig, ein Nachwuchsteam aufzubauen.

Wie sieht nun der Plan für die kommenden Wochen und Monate aus?

Wir gehen Anfang Mai wieder auf die Wasserschanze. Bis dahin ist für mich das Wichtigste, wieder aufgestellt zu sein, was meinen Arm angeht. Da wurde ich nach dem letzten Wettkampf noch einmal operiert. Meine Reha läuft jetzt schon auf Hochtouren, ich arbeite da viel mit Jochen Gehring vom Körperbau in Balingen zusammen. Im Sommer gibt es dann einiges zu tun, mein Sprungrepertoire wird ein wenig erweitert. Wir wissen noch nicht genau, welchen Weg wir einschlagen. Es gibt da zwei Möglichkeiten. Das entscheidet sich dann Anfang des Sommers. Da wird es uns also nicht langweilig, es wird ein sehr intensiver Sommer. Deshalb will ich mich jetzt trotz Reha möglichst gut ausruhen, damit ich genug Kraft habe, den Sommer zu meistern. Und im Oktober geht es ganz normal wieder in den Schnee.

Autor: Larissa Bühler Sportredaktion


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