Frau Weiß, die Vorbereitung war lang, nun wird es langsam ernst. Wie ist Ihre sportliche Form?
Emma Weiß: Ich bin eigentlich mega gut drauf, das Wetter dafür aber nicht. Das machte uns zuletzt regelmäßig einen Strich durch die Rechnung, was echt ein bisschen nervt. Als wir in Finnland ankamen, hatte es gar keinen Schnee. Das sah aus wie im Sommer, das habe ich noch nie erlebt. Nachdem dann Schnee gemacht werden konnte, hat es aber auch geregnet und am nächsten Tag hatte es minus zwölf Grad. Da war dann einfach nur komplett Eis und man konnte wieder keine Doppel springen. An manchen Tagen war es so windig, dass wir nur Einfach springen konnten. Zur Hälfte des Trainingslagers hatte ich nur acht Doppel gemacht. Trotzdem habe ich ein gutes Gefühl, was meine Verfassung angeht.
Die Vorbereitung in den Sommermonat lief also gut?
Es war schon einiges anders. Durch die neue Trainingssituation mit den Ukrainern war es so, dass ich drei Trainingscamps hatte: zwei in der Schweiz und eins in Australien. Da war man dann mehrere Wochen am Stück und ich hatte danach meistens so eineinhalb Wochen Pause. Wir sind in den Camps auch immer komplett durchgesprungen, während ich in der Vergangenheit ja eher von Mittwoch bis Samstag auf der Schanze war und von Sonntag bis Dienstag dann zu Hause trainiert habe. Das war dieses Jahr nicht möglich, da hätte ich zu viel verpasst. So bin ich wahrscheinlich so viel gesprungen wie noch nie. Ich fühle mich fitter denn je, auch im Gym läuft es. Die Kraftwerte haben sich konstant verbessert.
Wie haben sich sonst die Trainingsinhalte mit dem neuen Coach verändert?
Am Ende des zweiten Trainingslagers hatte Enver die Idee, dass wir meine Arme beim Absprung ändern könnten. Wir hatten nur noch fünf Wochen in Australien, ich wusste wirklich nicht, ob ich das zeittechnisch hinbekomme. Das ist schon eine enorme Änderung, einige Athleten machen das in ihrer ganzen Karriere nicht. Ich hatte prinzipiell ein gutes Gefühl, aber trotzdem war mir klar, dass das einfach viel Arbeit erfordert. Die Schwerpunkte verändern sich dadurch schon sehr. Das hat schon einige Zeit gebraucht, um mich zu adaptieren. Diese Zeit hat mir im Training für die schwierigeren Sprünge auch gefehlt. Trotzdem bin ich mittlerweile absolut davon überzeugt, dass es die richtige Entscheidung war. Es geht aber nicht progressiv nach oben, solche Änderungen verlaufen immer in Wellen. Da war es schon auch psychisch herausfordernd, immer geduldig zu bleiben.
Welche Sprünge zeigen Sie nun in diesem Winter?
Ich hoffe, dass ich jetzt endlich ein paar Double-Full-Fulls machen kann. Das wird echt höchste Zeit. Aber ganz in trockenen Tüchern ist das Ganze noch nicht, ich muss schauen, wie wir auch weiterhin vorankommen.
Wie lautet die Marschroute für die nächsten Wochen und Monate?
Mein Ziel ist nach wie vor, dass ich am Ende von Finnland bereit für den Weltcup bin. Wir sind hier noch bis zum 16. Dezember. Dann bin ich über Weihnachten und Neujahr sehr wahrscheinlich zu Hause und habe auch zwei Wochen Pause von der Schanze. Das ist mal was ganz Neues für mich. Am 18. Januar ist dann der erste Weltcup in Lake Placid, da freue ich mich schon sehr darauf. Ich will im Weltcup wie letztes Jahr konstant ins Finale springen und möglichst oft auch das Superfinale erreichen. Und es wird jetzt natürlich auch mal wieder Zeit für ein Podium, gar keine Frage.
In den vergangenen Jahren startete die Weltcup-Saison meistens in Finnland, 2025 gibt es aber nur sechs Stationen in Lake Placid (USA), Lac-Beauport (Kanada), Deer Valley (USA), Beidahu (China), Almaty (Kasachstan) und Livigno (Italien). Wie kam es dazu?
So ganz transparent wurden die Gründe nicht kommuniziert. Die FIS sagt, es liegt an Ruka und Ruka sagt, es liegt an der FIS. Wer letztendlich wirklich das Nein gegeben hat, weiß ich nicht. Ich finde es einfach sehr schade, dass wir keinen Weltcup in Finnland haben, Ruka liegt mir immer sehr. Hier habe ich ja auch mein Podium feiern dürfen, ich verbinde schon sehr viel mit Ruka. Als der Weltcupkalender bekannt gegeben wurde, standen noch mehr Weltcups auf dem Plan, aber eine Station in China ist auch noch weggefallen. Wir merken schon, dass die Events in Russland und Weißrussland fehlen. Das ist sicherlich nicht ideal.
Ende März wartet dann noch die WM und die ist in St. Moritz ja fast ein Heimspiel. Wie groß ist die Vorfreude?
Ich freue mich wirklich schon mega darauf. Das macht sich schon jetzt bemerkbar. Hier sind gerade viele noch sehr entspannt, wir hätten ja noch viel Zeit. Aber ich war von Anfang an so, dass ich gesagt habe: Nein, lass mal arbeiten! Ich will bereit sein gerade auch für die WM. Und Ende März kommt dann immer schneller als man denkt. In St. Moritz werden meine ganze Familie und auch einige meiner Sponsoren vor Ort sein. Das ist schon eine ganz andere Situation für mich. Normalerweise fiebern alle nur von zu Hause mit. Jetzt fahren sie alle da hin, das ist ja auch richtig teuer. Als Schwabe will ich da für das Geld natürlich etwas bieten.
Und wie sehen dann die Ziele für die Zukunft aus?
Wenn es finanziell möglich ist, will ich weiter bis 2030 dabei sein. Ich möchte mich natürlich sportlich weiter verbessern. Bis ich im Winter Dreifachsaltos springen kann, müssen sicher noch einige Steps gemacht werden psychisch und physisch. Mein Sport ist einfach sehr herausfordernd. Ein Beispiel: Auch Laura Peel, die absolute Weltspitze ist, hat mir verraten, dass sie dieses Jahr so nervös vor ihren ersten Doppel war. Und sie springt schon Dreifach einige Jahre. Also es bleibt einfach immer herausfordernd und es geht darum, die Angst in Respekt umzuwandeln. Aber ja, ich überschreite täglich meine körperlichen und mentalen Grenzen und es braucht einfach auch Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten.
Wie lautet die Zielsetzung für den Europacup am 13. und 14. Dezember?
Sportlich ist die Bedeutung nicht so groß, es geht einfach darum, sich einzustimmen. Es ist im Wettkampf einfach ein anderes Feeling, ich bin da gerade zu Saisonbeginn immer sehr aufgeregt. Daher ist es gut, dass wir jetzt schon mal einen Europacup haben.